Geschichte

Als Luxemburg im Jahr 1839 seine Unabhängigkeit erreichte, verfügte es über ein sehr bescheidenes Straßennetz von knapp 200 Kilometern befahrbarer Straßen. Zu allem Überfluss befanden sich diese überwiegend in einem jämmerlichen Zustand. Die wenigen Straßen, die durch eingestürzte Brücken unterbrochen waren, schon bei geringen Regenfällen in unüberwindbare Sümpfe verwandelt wurden, von Rissen durchzogen oder ganz einfach zu eng für große Gespanne waren, machten den Verkehr schwierig, ja sogar unmöglich.

Die Verkehrsunterbrechung in den langen Wintermonaten und die exorbitanten Transportkosten waren ein großer Hemmschuh für die nationale Wirtschaft. Was noch schlimmer war: die fehlenden Verkehrsverbindungen bedeuteten für zahlreiche Ortschaften eine fast totale Isolation. Wie eine Blockade belastete der Verfall der Straßen das Land schwer.

 

Aufbau eines zusammenhängenden Straßensystems

Aus diesem Grunde mussten die Behörden reagieren. Allerdings setzte der Aufbau eines zusammenhängenden Straßensystems eine Verwaltung voraus, die dieser Herausforderung gewachsen war.

„Die Bauverwaltung wird mit der Planung von Projekten, der Leitung und Überwachung von Bauarbeiten auf Rechnung des Staates beauftragt. (…) Diese Verwaltung wird darüber hinaus damit beauftragt, für die Durchführung der Gesetze und Verordnungen [sic] in den Minen, Bergwerken, Steinbrüchen, Fabriken, Gewässerläufen und schiffbaren Gewässern (...) zu sorgen und diese zu kontrollieren.“

Das Gesetz vom 6. April 1843

Das Organgesetz vom 6. April 1843, das die Grundzüge des Tätigkeitsgebietes der Bauverwaltung festlegt, verankerte das Prinzip der Zentralisierung der technischen Abteilungen. Dadurch schuf es eine besondere, für Europa einzigartige Struktur. Denn nirgendwo sonst gab es eine technische Dienststelle, die unter einem Dach Beamte hatte, die sich gemeinsam um die Bereiche Straßenbau, öffentliche Gebäude, Wasserbau, Bergbau etc. kümmerten. Die Schaffung dieses eher ungewöhnlichen Regimes war von dem Willen geprägt, „die alten Nutzungen und Gewohnheiten des Landes“ an die geopolitische Lage, die aus dem Londoner Vertrag von 1839 hervorging, anzupassen. Nach der dritten Teilung war das Gebiet des Großherzogtums zu klein und seine Finanzmittel zu unbedeutend, so dass man sich den Luxus mehrerer selbstständiger Fachabteilungen einfach nicht leisten konnte.

Da die Bauverwaltung die Aufgabe hatte, an der Erstellung der Haushaltspläne und der Erarbeitung aller möglichen Gesetzestexte mitzuwirken, musste sie Pläne und Kostenvoranschläge für neue Bauvorhaben erstellen, für die Unterhaltung bestehender Straßen sorgen, die Vergabe der Arbeiten organisieren, Materialien abnehmen und fertige Bauwerke prüfen. Darüber hinaus war sie gehalten, die Oberaufsicht über das Straßennetz auszuüben, indem sie regelmäßig Inspektionsrunden durchführte.

Die Teilung des Landes in zwei Bezirke

Um all diese Ziele zu erreichen, wurde das Land in zwei Bezirke aufgeteilt, an deren Spitze jeweils ein Ingenieur stand, einer von ihnen in Luxemburg-Stadt, der andere in Diekirch. Jeder Bezirksingenieur hatte unter seiner Aufsicht Bauleiter, Schüler oder vorübergehende Helfer sowie eine Reihe von Straßenwärtern.

Die Verwaltungseinheit wurde von einem Chef-Ingenieur gewährleistet, der im Regierungsgebäude in der Hauptstadt seinen Sitz hatte. Kurz, das Gesetz vom 6. April schlug eine Einrichtung vor, die durch ihre Einfachheit bestach: eine hierarchische Institution, die rationell strukturiert war und relativ wenig Mittel beanspruchte, um umfangreiche Aufgaben zu erfüllen.

Der Verkauf des Grünewald

Mit Hilfe der außerordentlichen Einnahmen aus dem Verkauf des Grünewalds konnte der Staat sich voll und ganz einem ehrgeizigen Straßenbauprojekt auf dem gesamten Gebiet mit dem Bau großer Verbindungsadern in Form eines Spinnennetzes rund um die Stadt Luxemburg widmen.

Vervollständigt durch Verbindungsstraßen zu den Bahnhöfen erreichte das Netz seine Vollendung in den 1860er Jahren. Die Rekordbauzeit eines Viertel Jahrhunderts verschlang im Schnitt zwischen 20 und 25 % des gesamten luxemburgischen Staatshaushalts. Diese beispiellose Anstrengung ergab sich einmal aus der Notwendigkeit, eine Verbindung zwischen den Kantonshauptstädten herzustellen und zum anderen, die Anbindung an Deutschland zu gewährleisten. Seit Luxemburg 1842 dem Zollverein beigetreten war, war letzteres ein vorrangiges Anliegen, v.a. für das Überleben der Eisenhütten.

Fortschritt dank der Bauverwaltung

Die allmähliche Verbesserung der Verkehrsverbindungen trug nicht nur zum langfristigen Aufschwung der Industrie bei, sondern ebnete auch den Weg für Fortschritte in der Landwirtschaft aufgrund der Unterstützung durch die Bauverwaltung der Kommunen bei der Sanierung der Vizinalwege.

Ab der Revolutionszeit von 1848 hatten es sich die Regierungen zur Gewohnheit gemacht, den Kommunen finanziell unter die Arme zu greifen, entweder durch Beihilfen zur Unterhaltung von Wirtschafts- oder Entsorgungswege oder durch die staatliche Kostenübernahme für den Bau großer Verbindungswege zwischen den Gemeinden. Diese Politik der Durchdringung der ländlichen Räume, die massiv zu deren Erschließung und damit zum Zusammenrücken der Menschen, die von da an eine Nation bildeten, beitrug, fand ihren Höhepunkt ab 1874, als der Staat mit der Umsetzung des Programms der „Chemins repris“ anfing.

Das Aufkommen des Autoverkehrs

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stellte das Automobil die Bauverwaltung vor eine neue Aufgabe. Von da an hatte die qualitative Verbesserung der bestehenden befahrbaren Straßen Vorrang, denn der immer dichter werdende Verkehr und der wachsende Güterkraftverkehr ließ den Ausbau der Infrastruktur zur obersten Priorität werden. Das war der Grund, weshalb die Verwaltung es sich zur Aufgabe machte, die Unterkonstruktion der Straßen zu sanieren, die Dorfstraßen zu pflastern und die am stärksten genutzten Straßen zu asphaltieren.

Die Nachkriegszeit

Dieses Vorhaben, das schrittweise umgesetzt wurde, da es kostspielige Investitionen voraussetzte, wurde durch die Besatzung durch das Nazi-Regime jäh unterbrochen.

Nach der Befreiung lag das Großherzogtum in Schutt und Asche. Vor allem die nördlicheren Landesteile waren durch heftige Kämpfe während der Ardennen-Offensive, die zahlreiche zerstörte oder stark beschädigte Gebäude hinterließ, verwüstet. Über hundert Brücken waren gesprengt worden und das Straßennetz war aufgrund der Bombentrichter nicht mehr zu befahren. Mit anderen Worten: es musste fast alles wieder neu aufgebaut werden. 1950 konnte der verantwortliche Minister nur knapp seine Freude zurückhalten, als er verkündete, dass der Wiederaufbau abgeschlossen war. Fünf Jahre hatten ausgereicht, um die dringendsten Arbeiten durchzuführen.

Die Neuorganisation

Der Erfolg des Wiederaufbaus ging einher mit der Neuorganisation der Verwaltungsstrukturen. Die ehemalige Zentralisierung der Bauverwaltung, die sich in früheren Zeiten bewährt hatte, war nicht mehr zeitgemäß: angesichts der gestiegenen Anforderungen der modernen Zeit wurde durch einen großherzoglichen Beschluss vom 17. September 1945 aus den für den öffentlichen Straßenbau zuständigen Dienststellen die Straßenbauverwaltung. Damit ging ein Prozess zu Ende, dessen Anfänge in das letzte Jahrhundert reichen, als die Ernennung des Architekten Charles Arendt den Weg für eine stärkere Spezialisierung der Fachabteilungen frei machte.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts entstand eine Vielzahl staatlicher Gebäude, weshalb es notwendig wurde, eine spezielle Stelle für einen Fachmann innerhalb der Bauverwaltung zu schaffen. In enger Zusammenarbeit mit seinem Vorgesetzten, dem Chef-Ingenieur Albert Rodange, erstellte Arendt die Pläne für eine beeindruckende Zahl öffentlicher Gebäude. Darüber hinaus kümmerte er sich um die Restaurierung historischer Gebäude, u.a. des Denzelt in Echternach und des Feudalschlosses in Vianden. Als er 1897 in Ruhestand ging, überließ er den Platz Prosper Biwer, dem ab 1905 ein Mann folgte, den die meisten Luxemburger vor allem wegen seiner Aquarelle kennen: Sosthène Weis.

Die Dezentralisierung

Der Trend zur Dezentralisierung und zur Bildung einer speziellen Abteilung, die sich ausschließlich um Fragen der Architektur kümmerte, nahm im Laufe der Jahre zu. Die Entwicklung führte 1910 zur de-facto-Abspaltung der Dienststelle des Staatsarchitekten, woraus die heutige Verwaltung für öffentliche Bauten wurde. Wie die Straßenbauverwaltung bildet diese seit Ende des Zweiten Weltkrieges eine selbstständige Verwaltung unter der Hoheit des Ministers für öffentliche Bauten.

Beide Verwaltungszweige verfügten mit einer adäquaten Struktur über alle Möglichkeiten, die Herausforderungen der modernen Welt zu bewältigen. Die diversen Folgen des schnellen Bevölkerungswachstums in den Nachkriegsjahren und die allgemeine Ausweitung der staatlichen Zuständigkeiten zwang die Verwaltung für öffentliche Bauten, ihre Tätigkeit auf die Renovierung und den Ausbau der sozialen Infrastruktur, der Schulgebäude und der Gebäude für die verschiedenen Ministerien und anderen Dienststellen zu konzentrieren.

Der Aufbau Europas

Seit Beginn der Europäischen Konstruktion in den 1950er Jahren kam der Bau von Räumlichkeiten für die Beamten der Gemeinschaft hinzu. In diesem Zusammenhang gab das Garantie-Gesetz aus dem Jahr 1970 einen flexiblen und effizienten Rahmen vor, der es der Verwaltung für öffentliche Bauten erlaubte, den Bau von Gebäuden vorzufinanzieren und der Staat übernahm die Mietgarantie und die Annuitätentilgung. Diese spezielle Finanzierungsform wurde z.B. für den Bau des Plenarsaals des Europäischen Parlaments, den Schuman-Bau, die Erweiterung des Gerichtshofes etc. auf dem Kirchberg genutzt.

Der Straßenfonds

Der Straßenbau erfuhr seinerseits eine ganz neue Dimension mit der Bildung des Straßenfonds. Im August 1967 kam der parlamentarische Ausschuss, der gebildet worden war, um Wege und Mittel zu finden, um die Straßeninfrastruktur an den modernen Verkehr anzupassen, zum Abschluss seiner Untersuchungen. Ergebnis dieser Untersuchung war der Vorschlag, einen Straßensonderfonds, mit dem die Weichen für den Beginn des Autobahnzeitalters gestellt wurden, einzurichten. Es gab ein dreifaches Ziel: Zusammenrücken der verschiedenen Landesteile durch einen barrierefreien Verkehr, Steigerung der wirtschaftlichen Expansionschancen dieser Regionen durch Optimierung ihrer Erreichbarkeit, Anbindung Luxemburgs an die Straßenachsen der Nachbarländer.

Es ging um sehr viel: während Europa auf dem Weg der Einigung war, konnte Luxemburg sich nicht mit der Zuschauerrolle begnügen und seine eigene wirtschaftliche Zukunft und damit sein Wohlstand aufs Spiel setzen. Bereits seit gut zwanzig Jahren lag das Hauptaugenmerk der Straßenbauverwaltung darin, ihr großes Vorhaben konkret umzusetzen. Diese Arbeit befindet sich heute in der Abschlussphase.

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